Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat sich mit zwei Punkten in Widerspruch zu der bisherigen BGH-Rechtsprechung gesetzt:
- Der Einsatz von unzulässigen Thermofenstern muss Dieselfahrern auch dann einen Schadenersatzanspruch gewähren, wenn dem Hersteller kein Vorsatz nachweisbar ist.
- Die anzurechnende Nutzungsentschädigung darf nie dazu führen, dass dem geschädigten Dieselfahrer gar kein Schadenersatzanspruch mehr zusteht.
Im Einzelnen:
Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 2.6.2022 im Verfahren „Mercedes-Benz Group (Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen)“ (C-100/21) ist zu erwarten, dass der EuGH den Bundesgerichtshof zwingen wird, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. Es ist zu erwarten, dass zahlreiche Dieselfahrer, die bisher leer ausgegangen sind, künftig auch erfolgreich Entschädigungsansprüche geltend machen werden können.
Nach dem Votum des EuGH-Generalanwalts haften Hersteller nicht erst nach § 826 BGB, sondern bereits aufgrund einfacher Fahrlässigkeit nach § 823 Abs. 2 BGB. Auch die Vorteilsausgleichung wird erheblich einzuschränken sein, denn die die Anrechnung der Nutzungen darf nicht dazu führen, dass der Kaufpreisschaden auf 0 Euro heruntergerechnet wird. Aus diesem Grund wird auch die bisherige Rechtsprechung des BGH zum Nutzungsersatz beim Leasing geändert werden müssen.
Sollte der EuGH so urteilen, wie der Generalanwalt empfiehlt, wird die nachteilige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Thermofenstern ihre Gültigkeit verlieren.
Der Generalanwalt zu den erleichterten Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch im Wortlaut die folgende Aussage getroffen:
„Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der RL 2007/46 [sind] dahin auszulegen […], dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist.“ […] Ich weise darauf hin, dass nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften, auch wenn sie nur allgemeine Interessen schützen sollten, wohl nur dann durchschlagskräftig wären, wenn auch fahrlässige Verstöße durch deliktische Schadensersatzansprüche der Erwerber gegen den Hersteller sanktioniert würden und die Hersteller dies von vornherein einkalkulieren müssten. […] [D]ie RL 2007/46 [ist] dahin auszulegen […], dass sie die Mitgliedstaaten verpflichtet, vorzusehen, dass ein Erwerber eines Fahrzeugs einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller hat, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist.“
Zur Berechnung der Nutzungsentschädigung hat der Generalanwalt für die Anwendung der folgenden Maßstäbe votiert:
„Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Form und zur Art und Weise der Berechnung der Entschädigung muss der Ersatz der Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, dem erlittenen Schaden angemessen sein, so dass ein effektiver Schutz der Rechte des Einzelnen gewährleistet ist. […] Wie sich aus der in der vorstehenden Nummer der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung ergibt, ist das vorlegende Gericht befugt, zu berücksichtigen, dass der Schutz der durch die RL 2007/46 gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung von QB führt. Daher kann der Nutzungsvorteil für die tatsächliche Nutzung des fraglichen Fahrzeugs auf die Erstattung des Kaufpreises dieses Fahrzeugs angerechnet werden. Gleichwohl erscheint es mir klar, dass, wenn diese Anrechnung dazu führen würde, dass QB letztlich keinerlei Ersatz für den erlittenen Schaden erhält, diese Berechnungsmethode keinen effektiven Schutz von QB gewährleisten würde und nicht mit dem Unionsrecht vereinbarwäre. […] Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln für die Art und Weise der Berechnung des Ersatzes des Schadens, der dem Erwerber entstanden ist, festzulegen, sofern dieser Ersatz in Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes dem erlittenen Schaden angemessen ist.“
Ja, nahezu alle Wohnmobile, Reisemobile und Camper mit Dieselmotor, deren Erstzulassung zwischen 2009 und August 2018 erfolgte, setzen unzulässige Thermofenster ein und sind betroffen.
Camper-Eigentümern steht in vielen Fällen eine hohe Entschädigung zu.
Welche Wohnmobil-Hersteller sind betroffen?
- Adria
- Bürstner (insbesondere Elegance-Modelle)
- Carado
- Campreve
- Capron
- Carthago (insbesondere c-tourer-Modelle)
- Dethleffs (insbesondere Trend-Modelle)
- Chausson
- Concorde
- Dreamer
- EDR
- Elios
- Eura-Mobil
- Fiat (Ducato)
- Fiat-Fleurette
- Forster
- Frankia
- Globecar
- Hobby
- Hymer
- Itineo
- Iveco
- Karmann
- Knaus (Boxstar-Modelle)
- Knaus
- Laika
- LMC
- Mercedes
- Mobilvetta
- Morelo
- Niesman + Bischoff (insbesondere Arto-Modelle)
- Sunlight (insbesondere Cliff-Modelle)
- Phoenix
- Pössl (insbesondere Summit Prime-Modelle)
- Rapido
- Sun Living
- Tourne
- VW Camper
- Volkswagen (T5 + T6 California, Multivan und Transporter)
- Weinsberg
- Westfalia
- XGO
Welche Fiat-Modelle enthalten unzulässige Thermofenster?
Alle Fiat Ducato-Modelle, in denen der Dieselmotor Typ Multijet-Motor verbaut ist, sind von dem Abgasskandal betroffen. Auch sonstige Fiat-Dieselmodelle können zum Anspruch berechtigen.
Haben Ducato-Eigentümer Anspruch auf Schadenersatz?
In vielen Fällen, ja. Viele Ducato-Modelle enthalten unzulässige Thermofenster. Die Eigentümer haben in der Regel gute Erfolgsansichten dafür, ihre Schadenersatzansprüche geltend zu machen.